25. November 2012
Noch immer wird unter bestimmten „äußersten“ Bedingungen das
Kriegshandwerk bejaht. Das bedeutet aber, dass die ganze militärische
Institution mitsamt dem Rüstungswettlauf, den immensen Kosten und der
Versuchung, hier und dort militärisch einzugreifen, bestehen bleibt.
Die Landeskirche in Baden hat einen Anfang gemacht, die Barriere zur wirklichen Friedenskirche
abzuräumen.
Die Kirchenleitung hat den „Entwurf für ein
Positionspapier zur Friedensethik Stand 3. April
2012“ veröffentlicht.
Im Folgenden Auszüge:
Vorspann
Aufgrund einer
Eingabe des Kirchenbezirks Breisgau-Hochschwarzwald erteilte die Kirchenleitung
Herrn Oberkirchenrat Prof. Dr. Christoph Schneider-Harpprecht den Auftrag eine
Arbeitsgruppe einzuberufen, die den Entwurf eines Positionspapiers zur
Friedensethik erarbeiten sollte…
Richte unsere Füße auf den Weg des Friedens (Lk 1,79)
…Die Eingabe des Evangelischen Kirchenbezirks Breisgau Hochschwarzwald
fordert eine Neuorientierung der evangelischen Friedensethik an den biblischen
Kernaussagen des christlichen Glaubens. Sie problematisiert dabei die „vorrangige Option für
Gewaltfreiheit“, die den Einsatz militärischer Gewalt unter bestimmten
Bedingungen legitimiert, wie sie insbesondere in der EKD-Denkschrift „Aus
Gottes Frieden Leben, für gerechten Frieden sorgen“ vertreten wird. Angesichts
der Erfahrung, dass in der Praxis die militärische
Option z.B. in finanzieller Hinsicht deutlichen Vorrang genießt, wird
gefragt, ob aus „christlicher Sicht nicht für die Gewaltfreiheit als einzige
Option eingetreten werden müsste?“
Ausgangslage
In den letzten Jahren kam es in Jugoslawien, im Irak, in Afghanistan und
Libyen zu militärischen Interventionen westlicher Bündnisse, teilweise unter
Beteiligung der Bundeswehr. Diese werden humanitär begründet Die Ergebnisse
dieser Interventionen zeigen, dass sie die menschenrechtliche Problematik nicht
zu lösen vermögen, sondern eher noch verschärfen. Militärische Interventionen können
die Machtverhältnisse verändern, nicht aber den Frieden bringen oder
langfristig zur Verbesserung der Menschenrechte beitragen. So wurden zwar
Saddam Hussein, Muammar al Gaddafi und Osama Bin Laden getötet und die Taliban
von der Macht vertrieben, doch gelang es weder im Irak, in Afghanistan noch in
Libyen, stabile und friedliche Verhältnisse herzustellen. Hinterfragt werden
muss das Eigeninteresse der eingreifenden Nationen (Erdöl, Rohstoffe, Sicherung
der eigenen Macht). Bei der Friedenskonvokation in Jamaika lehnten aus diesem
Grund mehrere Vertreterinnen und Vertreter afrikanischer Staaten
Militärinterventionen zum Schutz der Bevölkerung ab…
Biblische und theologische Einsichten
…Für die
Beantwortung der Frage, ob Christen und Christinnen Gewalt als (letztes) Mittel
rechtfertigen können, ist von Anfang an der Umgang mit dem Ethos der
Bergpredigt entscheidend gewesen. Die Bergpredigt wurde von den Christen in
den ersten Jahrhunderten der Kirche sehr ernst genommen. Sie waren der Meinung,
die prophetische Weissagung des Micha sei nun erfüllt, als Söhne des Friedens
seien die Christen berufen, die Schwerter zu Pflugscharen umzuschmieden. Die
ersten Christen lehnten alle Gewalt ab und weigerten sich, in der römischen Armee
Kriegsdienst zu leisten.
Nach der konstantinischen Wende wurde das Christentum Staatsreligion und die
Bergpredigt zur Sonderethik für besonders berufene Christen (z.B. Mönche oder
Priester). Bald traten Christen auch in die römische Armee ein und kämpften als
Soldaten. Um die zerstörerische Kraft des Krieges einzudämmen, entwickelte Augustin
die „Lehre vom gerechten Krieg“ (bellum iustum). Nach dieser Lehre muss
die Kriegsführung bestimmte Kriterien erfüllen, um als ethisch gerechtfertigt
gelten zu können. Auch vor diesem Hintergrund wurde bis weit ins 20. Jahrhundert hinein der Militärdienst von den Kirchen legitimiert oder sogar
unter Verweis auf Römer 13 als „Christenpflicht“ angesehen. Die aus der
Reformation hervorgegangenen historischen Friedenskirchen (z.B. Mennoniten und
Quäker) haben dagegen am Prinzip der Gewaltlosigkeit festgehalten und den
Kriegsdienst verweigert. Sie blieben aber mit ihrer Auffassung in der
Minderheit.
Konkretionen
…Die badische Landeskirche soll darauf drängen, dass unverzüglich der
Export von Kriegswaffen ohne Ausnahmen verboten wird…
Dem Entwurf für ein Positionspapier zur Friedensethik wird
eine Stellungnahme der Militärseelsorge beigefügt. Die beiden Texte sollen
- in den Bezirkssynoden bis Ende April 2013
diskutiert werden
- im
Juni 2013 in der Landessynode
- der Beschluss
über das Positionspapier der Landeskirche soll in der Herbstsynode
2013 gefasst werden
Viele werden sagen: Wenn
das Projekt erst einmal in den Bezirkssynoden und in der Landessynode
diskutiert wird, wird am Ende nicht viel davon übrig bleiben. Mindestens wird
es bis zur Unkenntlichkeit verwässert werden.
Auf die Dauer werden aber überzeugende Argumente ihre
Wirkung nicht verfehlen. Die Landeskirche in Baden kann mit ihrem Vorstoß zum
Vorreiter für ein neues Denken werden.